Müde aber zufrieden sitze ich im Taxi zum Flughafen. Es ist zwei Uhr morgens und das Flugzeug in Richtung Heimat startet um halb vier. Die letzten 48 Stunden waren so erlebnisreich, dass mein Kopf noch immer mit deren Verarbeitung beschäftigt. Die Sehenswürdigkeiten in Kairo haben mich verzaubert. Wegen der Unruhen zu Jahresbeginn waren nur wenig Touristen unterwegs. Beim Mittagessen saß unserere kleine Gruppe ganz allein in einem Restaurant das normalerweise mehrere Hundertschaften von Urlaubern durchschleust. Das Essen kam in Rekordzeit und auch an den Kassen der Museen gab es kaum Wartezeiten. Die gewonnene Zeit nutzte ich, um dem Reiseführer eine wichtige Frage zu stellen: Wie muss ich mich morgen beim Treffen mit den Ägyptern verhalten, damit das Meeting ein Erfolg wird?
Mein Fazit nach circa einer Stunde Diskussion war, dass die Ägypter vor mir als Deutsche Frau durchaus Respekt haben werden. Sie schätzen Deutschland als Vorreiter in vielen Branchen und akzeptieren auch, dass Frauen dort in verantwortungsvollen Positionen arbeiten. Das war die gute Nachricht. Der eindringliche Rat den Ägyptischen Männer nicht zu nahe zu kommen, verwunderte mich etwas, aber die Erklärung war einfach. Gegenüber den Ägyptischen Frauen, die fast auschließlich mit Kopfbedeckung, langärmliger Kleidung und langen Röcken auf die Straße gehen, wirken die Deutschen Touristinnen mit Träger-Shirts und kurzen Röcken wie "leichte Mädchen". Der Ägypter schließt daraus, dass alle Deutschen Frauen Sex von ihnen wollen.
Den Besprechungsraum des gestrigen Geschäftstreffens betrat ich demnach selbstbewusst und in biederer Business-Bekleidung. Bereits nach ein paar Minuten war klar, dass das Treffen ein Erfolg werden würde und die nächsten Stunden vergingen wie im Rausch. Am Ende hatte ich alle wichtigen Informationen beisammen und eine mündliche Zusage der Ägyter, das ersehnte Projekt mit uns zu starten. "Mein Chef wird zufrieden sein.", denke ich während ich bereits das Terminal des Flughafens sehe. Ich gebe dem Taxifahrer die vereinbarte Summe in Ägyptischen Pfund, aber der will plötzlich mehr Geld haben und erklärt in radebrechtem Englisch etwas von Sondersteuer. Ich ärgere mich. Gerade wollte ich ihm noch etwas Trinkgeld geben, aber daran ist mir jetzt der Spaß vergangen. Ohne mich nochmal umzudrehen, nehme ich meinen Koffer, hänge meine Handtasche über die Schulter und rausche in die Flughafenhalle.
Vor dem Check-In Schalter ist bereits eine kurze Schlange. Ich stelle mich an. Endlich vergeht der Ärger über den Taxifahrer. Im relativ armen Ägypten will eben jeder so viel wie möglich Geld nach Hause bringen. Der Portier im Hotel hatte mich bereits vorgewarnt und mir geraten auf keinen Fall mehr als den verinbarten Preis zu zahlen. Ich schaue auf die Anzeigetafel meines Fluges. Es sind noch siebzig Minuten bis zum Abflug. Dann beginnt mein Herz zu pochen. Ich fühle meinen plötzlich rasenden Puls. Schweiß sprießt auf meine Stirn und befeuchtet meine Hände. Wo ist mein Rucksack?
In meinem schwarzen Rucksack befinden sich mein Firmen-Laptop und alle meine Hormone. Verzweifelt schaue ich mich um. Aber mir ist bereits klar, dass ich den Rucksack irgendwo vergessen habe. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf. Ich bin mutterseelen alleine in Kairo. Das Taxi ist weg. Die Fahrt vom Hotel bis hierher hat 40 Minuten gedauert. Um zurück zu fahren fehlt mir die Zeit. Wenn ich die nächsten Spritzen nicht nehmen kann, fällt die komplette Kinderwunschbehandlung ins Wasser. Die ganze Wien-Planung, der Urlaub, die bezahlten Medikamente, die Hoffnung, alles war umsonst. Ich bin zu paralysiert um zu weinen. Sekunden lang stehe ich unter Schock. Irgendwann schaltet sich mein Hirn wieder ein. Zitternd nehme ich mein Mobiltelefon aus der Handtasche und wähle die erste Nummer aus der Anrufhistorie.
Fortsetzung folgt!