Freitag, 29. Oktober 2010

Der Schmerz

Die letzten zwei Stunden bis zum Feierabend verbringe ich still. Innerlich bin ich leer. In dem Moment, in dem ich das Bürogebäude verlasse, läuft mir schon die erste Träne über mein Gesicht. Meinen Mann habe ich direkt nach dem Gespräch mit der Kinderwunschklinik angerufen. Er hat gesagt, es tut ihm leid. Aber ich glaube nicht, dass er so leidet wie ich. Ich könnte ihn anschreien, wäre er jetzt hier. Ich fühle mich so allein.

Wie automatisiert setzte ich mich in meinen Wagen und starte den Motor. Die Kinderwunschklinik hat ihren Job gemacht. Ich weiß, dass es keine Erfolgsgarantie gibt. Jedoch empfinde ich es als unmenschlich, dass die Leistung der Klinik nach der telefonischen Überbringung des negativen Ergebnisses endet. Ich bin sauer darüber, dass es keinerlei Nachbesprechung gibt. Ich bekomme keine Erklärung darüber, was schief gelaufen ist, keine Details über die Blutwerte. Es würde mir jetzt helfen, zusammen mit dem Arzt zu überlegen, was man beim nächsten Mal besser oder anders machen kann. Ich brauche eine Perspektive, die mir Mut macht. Ich habe keinen Psychologen, den ich anrufen kann. Außerdem kennt ein Psychologe meine Patientenakte nicht, und könnte mir auch nicht sagen, ob ich mir beim nächsten Mal mehr Gelbkörperhormon, mehr FSH (Follikel Stimulierendes Hormon) oder mehr Ruhe gönnen sollte.

Als ich zu Hause bin, lege ich nur meinen Mantel ab und schmeiße mich aufs Bett. Ich beginne so bitterlich zu weinen, wie selten in meinem Leben. In meinem Kopf kreisen die Gedanken an das negative Blutergebnis, und damit kommt die Angst zurück niemals Kinder bekommen zu können. Der ausgerechnete Geburtstermin 07.07.2011 sticht mir einen Dolch ins Herz. An diesem Tag werden keine Kinder geboren, nicht von mir. Ich habe Angst, dass mein Leben ohne Kinder leer sein wird. Im Alter werde ich ganz alleine sein. WOFÜR SOLL ICH LEBEN?

Ich denke an die süßen Gesichter der Kinder meiner Freunde und es zerreist mir mein Herz, dass ich vielleicht nie in das süße Gesicht meines eigenen Kindes gucken werde. Ich habe so viel zu geben. Wohin mit meiner Mutterliebe? Gegenüber von unserer Wohnung ist ein Kindergarten. Jeden Morgen zerren gestresste Eltern ihre süßen Kinder durch die Eingangstür. Manchmal bleiben die Kinder den ganzen Tag dort, weil die Eltern auch am Nachmittag etwas Besseres vorhaben. Shoppen, Café trinken, Golf spielen. Ich könnte kotzen.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist schon acht. "Wo bleibt eigentlich mein Mann? Wie kann er mich so lange alleine lassen? Wird unsere Liebe groß genug sein? Sind seine Gefühle stark genug für mich, um diese Zeit zu überstehen. Sind wir zwei uns genug, wenn wir keine Kinder bekommen?" Meine Augen sind schon ganz geschwollen und ich bekomme Kopfschmerzen vom Weinen.

Eine Stunde später bin ich immer noch alleine. Warum ist mein Mann nicht bei mir? WARUM IST KEINER DA DER MIT MIR REDET? Ich möchte schreien und irgendetwas zerstören. Meine Beziehung, meine Karriere, eine Vase, mich selbst.

Um 22:30 Uhr kommt er. Als er das Schlafzimmer betritt, bewege ich mich nicht. Ich weiß, dass ich ihn nicht anschreien darf. Er hat keine Schuld und ich liebe ihn. Deswegen sage ich nichts. Ich weine. Mein Weinen ist zu einem Schreien geworden. Ein Schreien, das meine Verzweiflung zeigt. Er umarmt mich. Er flüstert zärtlich meinen Namen. Schließlich, als ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, sage ich: "Ich fühle mich so allein."

Völlig erschöpft schlafe ich gegen Mitternacht ein.

(Forsetzung: Neuer Mut)

6 Kommentare:

  1. Das ist wirklich immer ein Höllenritt aber gebe die Hoffnung nicht auf - klammere Dich an Deinem Grashalm und an der Chance das es beim nächsten mal klappen könnte. Versuche trotzdem positiv zu denken und stelle Dir vor wie man sich fühlen könnte als werdende Mutter. Denn diese positive Energie wird vielleicht irgendwann stark genug sein Dir Deinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. So mache ich es immer und es hält mich aufrecht.
    Ich wünsche Euch ganz viel Kraft und das Dein Wunsch sich schnellstmöglich erfüllen wird.
    Danke für diesen Blog - er spricht sooo vielen Frauen aus dem Herzen - mach weiter so. GLG....

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  2. Franka- ich kenne das- mir ging es auch so... man fühlt sich tiefgefroren und verraten... und es dauert so lang, bis frau sich davon erholt hat... ich umarme Dich ganz fest und Du bist nicht allein - auch wenn Du Dich so fühlst....

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  3. Liebe Franka,

    deine Worte - und besonders die aus diesem Teil - sprechen mir aus der Seele... Mir kamen beim Lesen die Tränen! Ich wünsche dir und uns allen "ungewollt Kinderlosen" viel Kraft diesen steinigen Weg zu gehen und dass wir irgendwann in leuchtende Kinderaugen UNSERER Kinder schauen dürfen...

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  4. Habe auch gerade Tränen in den Augen! Es ist so schlimm sich daran zurückzuerinnern. Ich fühlte mich auch so allein, mein Mann sagte nur "Das wird schon!" und nahm mich in den Arm. Gebracht hats in dem Moment nichts.
    Ich wünsche dir viel Kraft für dein weiteres vorhaben und JA DAS LEBEN GEHT WEITER (ich konnte es auch nicht glauben)...

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  5. Vielen Dank für diesen Blog. Ich sitze hier mit Tränen in den Augen. Heute war überhaupt ein schwerer Tag, mal wieder ist eine Arbeitskollegin schwups, einfach schwanger geworden. In zwei Wochen habe ich eine Gebärmutterspiegelung, im Mai beginnen wir mit ICSI.
    Es ist so schlimm, jeden Monat aufs neue diese Enttäuschung, diese ständigen unangenehmen Untersuchungen und Behandlungen, diese Hormone, dieses Auf und Ab der Gefühle - dabei wollen wir doch einfach nur eine Mutter sein. Ich merke schon, wie ich eine vergrämte Person voller Neid werde, wenn ich andere Familien sehe.

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