Donnerstag, 30. Juni 2011

Der EU-Hormon-Express

Ich habe Angst, dass mir jemand die Lizenz zum Schreiben entzieht. Das Thema Medikamentenkauf im Ausland ist brisant. Ist das Beziehen von Medikamenten aus dem Ausland überhaupt legal?* Zahlt die Krankenkasse die Medikamente, die ich im Ausland bezogen habe?** Klopft irgendwann die Polizei an meine Tür und führt mich in Handschellen ab, wenn ich hier beschreibe woher und zu welchem Preis ich die Medikament für die folgende Hormonbehandlung beziehe? Egal. Dies hier ist ein brutal offener Blog, der alle Kinderwunschthemen schonungslos aufdeckt.

Im Anhang des Hormonrezepts von Frau Schilcher befand sich eine Anleitung, bei welcher Apotheke man am Besten die Hormone und die anderen Medikamente bezieht. Dr. Kaiser und sein Team haben bei dieser Apotheke unschlagbare Konditionen ausgehandelt. Die Apotheke befindet sich in einem EU-Land, in dem zusätzlich eine sehr niedrige Mehrwertsteuer für den Verkauf von Medikamenten anfallen. In Deutschland gilt der volle Steuersatz von 19% für Arzneimittel, wogegen in Ungarn zum Beispiel nur 5 % anfallen. Bei einem Betrag von 2.000 Euro netto macht diese Differenz allein 280 Euro aus.

"Hallo, Franka Fruchtig hier. Ich rufe auf Empfehlung von Dr. Kaiser in Wien an und möchte gerne verschiedene Medikamente bei Ihnen bestellen."
"Ja, gern." antwortet die Dame in gut verständlichem Deutsch "Bitte schicken Sie uns per Email die Rezepte zu, wir senden Ihnen im Gegenzug die Rechnung."
Ich muss der Kinderwunschklinik vertrauen, die ich ebenfalls nur über Skype kenne, dass ich es mit einer seriösen Adresse zu tun habe.
"Gut." sage ich "wann kommt die Lieferung denn an?"
"Wenn wir den Zahlungseingang auf unserem Konto sehen, ..."
Verstehe!
"... schicken wir die Medikament mit einem Paketdienst los. Die Lieferung dauert meistens 48 Stunden. Sie müssten an diesem Tag zu Hause sein, denn die Hormone sollten gekühlt gelagert werden."
"Aha." Es kostet mich auch noch einen Tag URLAUB, arghhhhhhhhh. Na gut, dafür kann die Dame am Telefon nichts.
"Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie uns gerne noch einmal anrufen."
"Vielen Dank erstmal. Auf Wiederhören."

Die Apotheke ist schnell. Innerhalb von einer Stunde bekomme ich die Rechnung, deren Summe ich noch am gleichen Tag überweise. Drei Tage später liefert der Deutsche Paket Dienst eine große Menge Decapeptyl (Downregulierung), viel GonalF und etwas Merional (beides für die Follikelstimulierung) sowie Viagra (!) zu mir nach Hause. Die Hormonlieferung ist vollständig und in einer immernoch kühlen Thermobox. Ich bin reibungslos begeistert.

Am letzten Sonntag, pünktlich am 28ten Zyklustag, hat meine Regelblutung eingesetzt. Es sind also noch sechszehn Tage bis das neue Abenteuer beginnt.

Fortsetzung: Das unerwartete Angebot

Ich hoffe, mit diesem Artikel noch an einer Festnahme vorbei zuschliddern. Aber macht Euch auf den Artikel gefasst, der die Umgehung des Deutschen Embryonenschutzgesetztes im Detail beschreibt. Dann brennt in der Deutschen Kinderwunsch-Szene die Luft.

*Ich habe im Internet gelesen, dass der Arzneimittelbezug aus einem EU Land für den Privatgebrauch legal ist. Die Quelle war jedoch nicht seriös.
**Die gleiche Quelle besagt, dass die Krankenkassen diese Rechnungen nicht anerkennt. Hierbei müssen wir uns wohl überraschen lassen.

Freitag, 24. Juni 2011

Post von der Ver-Sicher-ung

„Endlich Wochenende.“ geht es mir heute schon zum fünften Mal durch den Kopf. Es scheint ein automatisierter Gedanke eines jeden Angestellten zu sein, sobald der letzte Tag der Arbeitswoche anbricht. „Allerdings hat sich der Start ins Wochenende schon mal besser angefühlt.“ rümpfe ich vor mich hin, als ich platschnass die Haustür aufschließe, meine vollen Einkaufstüten auf dem reinigungsbedürftigen Boden abstelle und mir die Post aus dem Briefkasten entgegen quillt. „Das ist kein Sommer, das ist eine Frechheit.“

Post im Briefkasten fasziniert mich. Täglich schließe ich unser Fach mit einer kindlichen Verzückung auf, als würde ich darin eine große Erbschaft vorfinden oder die Benachrichtigung über einen Sechser im Lotto. Seit fast zwanzig Jahren öffne ich dann entweder Rechnungen oder unerwünschte Werbesendungen oder beides. Heute blitz mir zwischen Rechnungen und Werbesendungen das Logo meiner Krankenkasse entgegen. Bevor ich noch meine Jacke ausgezogen habe, öffne ich den Brief und taufe den Betreff „Behandlerwechsel“ mit einem fetten Regentropfen.

„Wow, die sind schnell.“ denke ich und freue mich auf Neuigkeiten. Ich hatte erst am Mittwoch den Kostenvoranschlag mit der Bestätigung über die Einhaltung der Deutschen Gesetzte an meine Krankenkasse gefaxt. Neugierig fliegen meine Augen über die ersten Zeilen.

"Deutsche Gesetze müssen unbedingt eingehalten werden.“ .. bla bla ..
Deutsches Embryonenschutzgesetzt muss zwingen beachtet werden.“ … bla bla…
Nachbarländer wie Österreich erlauben im Rahmen der künstlichen Befruchtung andere Maßnahmen“.. bla bla.
Und dann kommt der wirklich wichtige Satz:
Sollte sich nach der durchgeführten Behandlung herausstellen, dass ausschließlich Maßnahmen durchgeführt wurden, die auch alle nach Deutschem Recht maßgeblichen Vorraussetzungen erfüllen, kann eine Kostenbeteilung erfolgen. Wir wünschen Ihnen für die bevorstehende Behandlung viel Erfolg.

Im Klartext heißt das: „Macht ihr mal, wir überlegen uns später, ob wir die Kosten übernehmen.“ Vielen Dank, liebe Ver-Sicher-ung, dass Ihr uns so viel finanzielle Planungs-Sicherheit bietet, für die 15,5% Prozent, die wir Euch jeden Monat von unserem Brutto abdrücken.“

Dieser Brief ändert nichts an unserer Entschlossenheit in Österreich ein Baby zu zeugen.

Fortsetzung: Der EU-Hormon-Express!

Mittwoch, 22. Juni 2011

Baby-Projekt-Management

In meinem Unterleib merke ich ein leichtes Ziehen. Ist das schon meine Regel? Dieses Mal wünsche ich mir aus rein organisatorischen Gründen, dass sich die Blutung noch ein paar Tage Zeit lässt. Im nächsten Zyklus wollen wir mit der Behandlung in Österreich beginnen und bis dahin gibt es noch verdammt viel zu organisieren. Frau Schilcher, meine Betreuerin der Wiener Klinik, hat mir eine lange Checkliste geschickt, die ich bis zur ersten Downregulierungsspritze* am Zyklustag zwanzig abarbeiten muss.

Eigentlich hatte ich Frau Schilcher zunächst nur nach der Bestätigung über die Einhaltung der Deutschen Gesetze gefragt, die unsere Krankenkasse angefordert hat. Als Antwort bekam ich die Bestätigung und das komplette Austria-Wunschkind-Orga-Package geliefert, inklusive Behandlungplan, Hormon-Rezepte, Vertrag, mitzubringende Blutbefunde, usw. Natürlich ist das nur der medizinische Teil. Für das Baby-Projekt muss ich mich zusätzlich noch um die Unterkunft, die Flugbuchung und meinen Urlaub kümmern.

Die Unterlagen der Wiener Kinderwunschklinik schlagen vor, dass die Frau ab Zyklustag elf Vorort sein soll. Der Mann wird nur am Tag der Punktion ‚gebraucht’. Die Punktion ist für den 13ten oder 14ten Zyklustag eingeplant un
d der Blastozysten**-Transfer findet spätestens fünf Tage danach statt. Das bedeutet, dass ich eine Unterkunft für zirka acht Tage finden muss. „Ein Hotel fällt bei diesem langen Aufenthalt wohl weg.“ denke ich und klappe den quietschenden Bildschirm meines Laptops hoch. „Mal sehen, was mein Freund, das Internet für Alternativen kennt…“


Nachdem ich eine Studenten-WG und ein Zimmer im Seniorenheim für uns ausgeschlossen habe, finde ich eine interessante Webseite die „Wohnen auf Zeit“ anbietet. Hier kann man möblierte Wohnungen für ein paar Monate aber auch für eine Woche anmieten. Es gibt ein paar schnuckelige Buden für 30 Euro pro Nacht, bzw. 200 Euro pro Woche. Ich fülle das Online-Formular aus und frage die Verfügbarkeit von zwei, drei Wohnungen an die recht zentral liegen. Zufrieden mit meiner Online-Recherche quietsche ich mein Laptop wieder zu und lehne mich entspannt zurück. „Für den Flug an Zyklustag elf, müsste ich jetzt nur noch wissen, wann ich meine Tage bekomme.“


Fortsetzung: Post von der Ver-Sicher-ung

*Mit der Downregulierung unterdrück man die Hormonproduktion der Hirnanhangsdrüse und verhindert damit, dass der Eisprung eintritt.
** Blastozyste nennt man das Stadium bei der Embryoentwicklung, bei dem der Embryo bereits mehere Hundert Zellen hat und die Einnistung in die Gebärmutter unmittelbar bevor steht.

Montag, 20. Juni 2011

Abrechnungsfragen

Nachdem ich im Büro auf 'print' geklickt habe, renne ich sofort zum Drucker im Nebenraum. Schließlich will ich die erste sein, die den Kostenvoranschlag für die Kinderwunschbehandlung in Österreich in den Händen hält. Frau Schilcher hatte am Samstag erklärt, dass dieser Kostenvoranschlag jetzt bei der Krankenkasse eingereicht müsse. Das erschien mir im Telefonat logisch, aber jetzt scheitere ich an der Formulierung des Anschreibens. Was muss ich in den Brief schreiben, damit die Kasse diese Behandlung bezahlt? Vielleicht "Liebe Krankenkasse, wir wollen eine Behandlung in Österreich durchführen lassen, das hat mehr Aussicht auf Erfolg." oder "Liebe Krankenkasse, bei unserer ersten Kinderwunschklinik hat es nicht geklappt, jetzt wollen wir etwas anderes ausprobieren."

Zusätzlich beunruhigt mich die Kostenaufteilung auf Mann und Frau. In Österreich werden die Gesamtkosten einfach durch zwei geteilt. Bei der Kinderwunschklinik zu Hause, werden der Frau fast alle Kosten zugeschrieben. Übernimmt denn jetzt die Krankenkasse von Noerd mehr Kosten, nur weil der Kostenvoranschlag aus Österreich kommt? Ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass es auf die richtige Formulierung ankommt, damit die Kostenübernahme klappt. Deshalb entschließe ich mich bei meiner Krankenkasse anzurufen.

"Hallo, mein Name ist Franka Fruchtig. Wir haben eine Kinderwunschbehandlung beantragt und genehmigt bekommen. Zwei Versuche haben wir schon hinter uns. Leider ohne Erfolg. Jetzt möchten wir den letzten Versuch in Österreich durchführen lassen. Wie sollen wir dazu Ihrer Meinung nach vorgehen?" höre ich mich in einem Ton sagen, als würde ich beim Finanzamt meine Steuernummer erfragen. Ich kann es selber nicht glauben, dass ich über meinen intimsten Wunsch mit einem völlig fremden Menschen am Telefon rede.

"Sie müssen einen 'Behandlerwechsel' beantragen und den Kostenvoranschlag beilegen. Außerdem benötigen wir eine Bestätigung der Klinik in Österreich, dass sie die Deutschen Gesetze einhält. Zusätzlich benötigen wir einen Nachweis, dass sie in Deutschland erst zwei von den drei genehmigten Versuchen vorgenommen haben." antwortet der Versicherungsberater in einem ähnlich sachlichen Ton wie ich.

Aha. Ich lege auf. Wieder stehe ich in dem Technikraum, in den ich flüchte, wenn ich tagsüber in Sachen Kinderwunsch telefonieren muss. Ich öffne das Fenster und ein wenig frische Luft weht mir um die Nase. Das tut gut. "Wie erkläre ich meinem netten Kinderwunschdoktor bloß, dass ich gerne eine Bestätigung über die zwei durchgeführten Versuche hätte? Der wird doch sofort vermuten, dass wir uns wo anders behandeln lassen wollen. Kann ich dann jemals wieder zu ihm gehen?" In Gedanken stolpere ich über die Türschwelle zurück in mein Büro.

Fortsetzung: Baby-Projekt-Management

Samstag, 18. Juni 2011

Das Vorgespräch

Es ist Samstagmorgen 9:50 Uhr. Nervös renne ich durch unsere Wohnung und schiebe noch schnell eine Grünpflanze in den Hintergrund des Bildes, welches mein neuer österreichischer Kinderwunschdoktor in wenigen Minuten von uns sehen wird. Er heißt Prof. Dr. Kaiser, und versprüht damit ein wenig österreichischen K&K-Glanz. Ich bin stolz auf das Heimstudio, das ich aufgebaut habe. Im Vordergrund werden wir an unserem schönen Holztisch in der Küche sitzen. Unsere Unterlagen von früheren Bluttests liegen bereits darauf, neben den Verläufen der ersten drei ICSI-Behandlungen. Die Aktivboxen habe ich geschickt hinter dem Laptop versteckt, damit die schwarzen Kabel das Bild nicht stören. Die Kamera wird nur unsere Oberkörper übertragen, so sind wir prominent im Bild. Das schafft virtuelle Nähe! In einer Probeaufnahme von 9:35 Uhr heute morgen, sehen Noerd und ich mindestens so seriös aus wie Klaus Kleber und Gundula Gause im ZDF. Eine Liste von den Dingen, die ich klären möchte, habe ich aufgeschrieben. Die wichtigsten Fragen starten mit "Was kostet" und "Wie organisiert man am Besten". Ich denke, wir sind gut vorbereitet.

Um Punkt 10 Uhr wähle ich meinen neuen Skype-Kontakt an - den der Kinderwunschklinik in Österreich. Tuuuuut. Tuuuuuut. Das Gespräch wird von der Gegenseite angenommen. Eine Sekunde später sehe ich einen hellen Besprechungsraum mit einem weißen Tisch, einer weißen Wand, der weißen Artzthelferin (das muss Frau Schilcher sein) und einem weißen Prof. Dr. Kaiser, der gerade den Raum betritt. "Ich habe die richtige Nummer gewählt." geht es mir durch den Kopf. Sogar der Ton funktioniert, denn ich höre ein klinisch sauberes: "Guten Morgen Herr und Frau Fruchtig. Wie geht es Ihnen?"

Nach einer netten Aufwärmphase, lenkt Prof. Dr. Kaiser das Gespräch zielstrebig auf die bevorstehende Behandlung. Er erklärt mir die genaue Dosis der Hormone, die er mir verschreiben möchte und warum. Ich gebe ihm zusätzliche Details zu den Verläufen der letzten Behandlungen, die er sich interessiert anhört und die er in die Planung mit einbezieht. "Er nimmt mich ernst", denke ich während des Gesprächs und freue mich. Auch sonst fühle ich mich wohl, da ich alles verstehe was Prof. Dr. Kaiser uns erzählt.

Nachdem der medizinische Teil abgeschlossen ist, besprechen wir mit Frau Schilcher die nächsten Schritte. Wir bekommen heute noch einen Kostenvoranschlag geschickt, den wir bei unserer Krankenkasse einreichen können. Wenn das finanzielle Vorgehen geklärt ist, kann die Behandlung beginnen. Schließlich fragt Frau Schilcher ob mein TPHA-Wert in der letzten Zeit bestimmt worden ist. Das bedeutet so viel wie: "Leiden Sie unter einer Syphilis-Infektion?" und muss in Österreich vor Behandlungsbeginn geklärt sein. Da ich die Frage verneine, steht wohl auch noch ein Termin bei meinem Hausarzt an. Nach circa einer Stunde beenden wir das Videotelefonat. Zurück bleibt ein guter Eindruck einer modernen Klinik, das Gefühl einer Rest-Distanz, aber auch die Klarheit über die nächsten Schritte auf dem Weg zu unserem kaiserlich-königlichen Wunschkind.

Montag, 13. Juni 2011

Funkturm der Gefühle

Die eingehende Email der Kinderwunschklinik reißt mich aus den Gedanken zur Freizeitgestaltung für das kommende Wochenende. Dass ich am Freitag eine eindeutige Anfrage an eine Klinik in Wien geschickt hatte, war mir tatsächlich entfallen. Die letzten Monate waren entspannt. Die ersten zweieinhalb fehlgeschlagenen Behandlungen sind weit weg. Da eine weitere Wunschbaby-Versuchsreihe immer geplant war, gab es keinen Grund zur Panik. Stattdessen sind Optimismus und Hoffnung zurückgekehrt. Ob ich die Enttäuschungen des letzten Jahres richtig verarbeitet habe, kann ich nicht sagen, aber es geht mir gut. Ich schlafe nachts durch, schwangere Frauen sind für mich wieder normale Mitmenschen und beim Sex mit Noerd denke ich nicht mehr an die Anzahl und Beweglichkeit seiner Spermien.

"Die Verfasserin der Email muss eine Verkaufsschulung hinter sich haben.", stelle ich beim Überfliegen der Nachricht fest. Oft nennt Sie meinen Namen, in der Anrede bin ich die 'Liebe Frau Fruchtig' und am Ende sendet sie mir noch 'Herzliche Grüße aus Wien'. Die Formulierungen verfehlen ihre Wirkung nicht. Jetzt schon mag ich die Dame, die Klinik und die Stadt. Die Faszination eines neuen Versuchs packt mich und schleift mich hinauf auf den Funkturm meiner Gefühle. Er sendet die Nachricht des Tages in Frankas Welt: "Es geht wieder los!"

Während ich die Email ein zweites Mal lese, kapiere ich auch deren Sachinhalt. Die nette Dame, die ab sofort meine persönliche Betreuerin ist, heißt Fräulein Schilcher. Sie schlägt uns ein paar Termine für das Erstgespräch vor. Sogar am nächsten Samstag wäre ein Gespräch möglich. Das gefällt mir. Ich schicke Noerd den Samstagstermin per Skype zu. Innerhalb weniger Sekunden bekomme ich ein "OK, Babe." und einen Smiley zurück. Tolle Technik!

Diese Technik erspart uns eine Wien-Reise; also viel Zeit und Geld. Toll? Sehen wir der Realität des digitalen Zeitalters mal ins Auge: Seit dem Skype im Mai von Microsoft übernommen wurde, könnte Bill Gates unser Video-Gespräch mit dem österreichischen Kinderwunsch-Doktor mitschneiden und sich anschauen. Er wüsste dann Dinge über mich, die ich lieber geheim hielte. Technisch möglich wäre es. Insgeheim hoffe ich, dass er seine Software-Ingenieure zunächst auf Larry Page und Steve Jobs ansetzt und dass 'das Netz' unser Gespräch am Samstag wieder 'vergisst'. Mit einem Rest-Unwohlsein schicke ich die Terminbestätigung für Samstag an Frl. Schilcher.

Fortsetzung: Das Vorgespräch

Freitag, 10. Juni 2011

Land der Berge, Land der Babys

Eine Kinderwunschbehandlung in Österreich hat mehr Chancen auf Erfolg, weil dort die besten Embryonen selektieren werden dürfen und in der Regel länger kultiviert werden. Zu diesem Schluss kommen wir nach tagelanger Durchforstung verlässlicher Quellen im Internet und in Zeitungen. Eine Kinderwunschbehandlung zu Hause ist günstiger und weniger aufwändig. Wir könnten unser normales Leben weiterleben, bräuchten keinen Urlaub nehmen, keine Flüge bezahlen, keine Unterkunft suchen und niemandem erklären, warum wir zwei Wochen in Wien Urlaub machen. Ungewollt werden wir Fachleute über die gesetzlichen Grenzen der künstlichen Befruchtung in Europa.

Alle Hoffnungen, doch noch Eltern zu werden, setzen wir in den letzten Versuch. Dabei wollen wir sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen! Könnten wir uns verzeihen, eine bequeme Behandlung Vorort zu wählen, wenn diese wieder kinderlos endet? Damit ist die Entscheidung gefallen. Für die nächste Kinderwunschbehandlung gehen wir nach Österreich. Liebe Regierung, könnt Ihr das nicht allen ungewollt, kinderlosen Paaren in Zukunft ersparen?

Bei der Suche nach Kinderwunschkliniken in Wien stoße ich auf eine Debatte über die finanzielle Unterstützung künstlicher Befruchtung. Die Familienministerin fordert, dass Krankenkassen wieder vier statt nur drei Versuche zur Hälfte finanzieren. Ich bin der Meinung, volkswirtschaftlich gesehen macht das Sinn. Zirka 2.500 Euro aus der Staatskasse stehen einem lebenslangen Sozialversicherungsbeitragszahler gegenüber. Zunächst freue ich mich über den Artikel, dann holt mich meine Politikverdrossenheit ein: Würde dieses Gesetzt mir nutzen? Ist es ernst gemein oder hilft es lediglich der politischen Karriere von Frau CDU-Nachwuchstalent? Würde es früh genug in Kraft treten? Ich habe noch zehn Monate bis ich vierzig werde und eine Lockerung des Gesetzes bezüglich der Embryonenselektion ist nicht einmal Teil der Debatte. Wir sind und bleiben auf uns alleine gestellt. Von außen können wir keine Hilfe erwarten.

Endlich finde ich eine Klinik in Wien, die kein Geld für das Erstgespräch verlangt. Es scheinen sich schon andere ausländische Paare dort behandeln zu lassen, denn eine Beratung wird auch per Skype angeboten und die Klinik übernimmt - wenn gewünscht - die Buchung einer Unterkunft vor Ort. Meine Email an die Hoffnungsträger im Nachbarland halte ich kurz: „Wir wünschen uns ein Baby. Drei ICSI-Behandlungen in Deutschland waren erfolglos. Was müssen wir tun, damit es bei Ihnen klappt?“ Ich amüsiere mich über meine knackige Formulierung und klicke auf den Senden-Button meines Email-Programms. Österreich wir kommen!