Montag, 13. Juni 2011

Funkturm der Gefühle

Die eingehende Email der Kinderwunschklinik reißt mich aus den Gedanken zur Freizeitgestaltung für das kommende Wochenende. Dass ich am Freitag eine eindeutige Anfrage an eine Klinik in Wien geschickt hatte, war mir tatsächlich entfallen. Die letzten Monate waren entspannt. Die ersten zweieinhalb fehlgeschlagenen Behandlungen sind weit weg. Da eine weitere Wunschbaby-Versuchsreihe immer geplant war, gab es keinen Grund zur Panik. Stattdessen sind Optimismus und Hoffnung zurückgekehrt. Ob ich die Enttäuschungen des letzten Jahres richtig verarbeitet habe, kann ich nicht sagen, aber es geht mir gut. Ich schlafe nachts durch, schwangere Frauen sind für mich wieder normale Mitmenschen und beim Sex mit Noerd denke ich nicht mehr an die Anzahl und Beweglichkeit seiner Spermien.

"Die Verfasserin der Email muss eine Verkaufsschulung hinter sich haben.", stelle ich beim Überfliegen der Nachricht fest. Oft nennt Sie meinen Namen, in der Anrede bin ich die 'Liebe Frau Fruchtig' und am Ende sendet sie mir noch 'Herzliche Grüße aus Wien'. Die Formulierungen verfehlen ihre Wirkung nicht. Jetzt schon mag ich die Dame, die Klinik und die Stadt. Die Faszination eines neuen Versuchs packt mich und schleift mich hinauf auf den Funkturm meiner Gefühle. Er sendet die Nachricht des Tages in Frankas Welt: "Es geht wieder los!"

Während ich die Email ein zweites Mal lese, kapiere ich auch deren Sachinhalt. Die nette Dame, die ab sofort meine persönliche Betreuerin ist, heißt Fräulein Schilcher. Sie schlägt uns ein paar Termine für das Erstgespräch vor. Sogar am nächsten Samstag wäre ein Gespräch möglich. Das gefällt mir. Ich schicke Noerd den Samstagstermin per Skype zu. Innerhalb weniger Sekunden bekomme ich ein "OK, Babe." und einen Smiley zurück. Tolle Technik!

Diese Technik erspart uns eine Wien-Reise; also viel Zeit und Geld. Toll? Sehen wir der Realität des digitalen Zeitalters mal ins Auge: Seit dem Skype im Mai von Microsoft übernommen wurde, könnte Bill Gates unser Video-Gespräch mit dem österreichischen Kinderwunsch-Doktor mitschneiden und sich anschauen. Er wüsste dann Dinge über mich, die ich lieber geheim hielte. Technisch möglich wäre es. Insgeheim hoffe ich, dass er seine Software-Ingenieure zunächst auf Larry Page und Steve Jobs ansetzt und dass 'das Netz' unser Gespräch am Samstag wieder 'vergisst'. Mit einem Rest-Unwohlsein schicke ich die Terminbestätigung für Samstag an Frl. Schilcher.

Fortsetzung: Das Vorgespräch

1 Kommentar:

  1. Hallo Franka,
    schön, dass du wieder was geschrieben hast. Auch ich starte in den nächsten Tagen mit einem erneuten (3.) Versuch. Der letzte Versuch war erfolgreich, endete aber in der 9. Woche mit einer Fehlgeburt. Für mich war das ein sehr tragisches Erlebnis, aber es gibt mir auch Hoffnung, denn ich weiß, dass es klappen kann.
    Freue mich auf weitere Beiträge von dir!

    AntwortenLöschen